Predigt vom 17. Januar 2021

Predigt zum Abschluss der Allianz-Gebetswoche  Schorndorf, 17. Januar 2021
Kolosser 3,16-17                                                    Pfr. Thomas Fuchsloch


Gnade sei mit uns - und Friede, von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus,
der da ist und der da war und der da kommen wird. Amen!

Der Wochenspruch zum Ewigkeitssonntag steht im Johannesevangelium 1,16
    „Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.“

Der Predigttext steht im Kolosserbrief, im 3. Kapitel:                  
16.     Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen:
          Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit;
          mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern
          singt Gott dankbar in euren Herzen.
17.     Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken,
          das tut alles im Namen des Herrn Jesus
          und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.         
                    Worte des lebendigen Gottes - Amen.

Liebe Gemeinde,
in Venedig gibt es eine bekannte, ja berühmte Brücke: Nämlich die Seufzerbrücke.
Sie spannt sich vom Dogenpalast, dem Sitz von Regierung und Gericht, zum berüchtigten Gefängnis, wo die Urteile vollstreckt wurden. Wie viele Seufzer von Verurteilten hat die Brücke wohl gehört? Wie viele Angstschreie haben sie zittern lassen? Wie viel Entsetzen hat sie gesehen?

Gewiss - das war in grauer Vorzeit und Venedig ist von uns weit entfernt.Und doch ist uns das Seufzen so nah, so menschlich! Ist nicht auch unser Weg ein Weg über eine Seufzerbrücke,
von der Verkündung bis zur Vollstreckung des Urteils?
Da steht am Anfang der Bibel das Urteil: „Verflucht sei der Acker um deinetwillen! Du bist Erde und sollst wieder zu Erde werden!” Und dann ist da unser Lebensweg: Ist er nicht viel zu oft gesäumt von Seufzen und Stöhnen, von Fürchten und Entsetzen. Sehnt sich nicht die ganze Schöpfung nach Erlösung schreit‘s nicht an allen Ecken und Enden nach Befreiung?!

Doch die Botschaft der Bibel gibt darauf eine klare Antwort: Das Evangelium ist eine ermutigende Botschaft! Gott hört unser Seufzen und Sehnen. Er nimmt die Verurteilung von uns Menschen auf sich. Durch Jesu Versöhnung am Kreuz auf Golgatha steht sein Angebot der Gnade. Gott will, dass unser Leben sich immer wieder neu vom Seufzen zum Jubeln, vom Klagen zum Loben verwandelt. Die Seufzerbrücke verwandelt sich in die „Golden Gate“ Brücke, die Brücke zum Goldenen Tor, die man in San Francisco bewundern kann. Jesus ist die Brücke zum Goldenen Tor, die uns in ein ganz neues Leben führt. In Jesus haben wir die Brücke zu seinem Vaterhaus und das soll unserer Leben nicht erst in der Ewigkeit, sondern schon heute prägen!

Es geht nicht um irgendwelche Appelle, keine befreiende Aktionen, sondern um Jesu Wort und Tat, das Angebot seiner Gnade und Liebe, eine Beziehung, die nichts und niemand uns mehr nehmen kann.

Wie Paulus sich diese Beziehung vorstellt, das beschreibt er den Kolossern eben in den Versen die wir am Anfang vernommen haben - die wir ganz praktisch umsetzen sollen! Das Anliegen des Paulus ist ganz einfach:
    „Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen:
     lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit;
     mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern
     singt Gott dankbar in euren Herzen.“

Macht das, indem ihr miteinander Gott lobt - indem ihr füreinander singt - indem ihr mit Gott kommuniziert: mit Ihm redet, zu Ihm betet und erkennt, wofür ihr danken könnt!
Und ich frage: Paulus, was könntest Du damit gemeint haben? Mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern Gott dankbar im Herzen zu singen!“

Zunächst fällt mir auf, dass es um ein Miteinander geht! Zwar ist im Blick auf das Herz, jede und jeder einzelne ganz konkret und persönlich angesprochen. Da geht es nicht um eine Beobachter-Position, da geht es nicht um ein distanziertes Wahrnehmen. Mit meinem Herz, da bin ich schon direkt betroffen - da geht es echt um mich, um mich, dass ich echt bin und nicht nur andern oder mir selbst was vormache.

Aber der Paulus sagt nicht: Mach das heimlich für Dich. Nein - er redet davon, es einander teilhaben zu lassen:  miteinander, füreinander zu danken, zu loben und singen!
Als konkreten Vorschlag nennt er geistliche Lieder und Psalmen!
Dabei denke ich an Psalm 104, - wo es heißt: „HERR, wie sind deine Werke so groß und viel!
Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter.“
Das ist die Einladung miteinander zu staunen, bewusst wahr zu nehmen, einander darauf aufmerksam zu machen.

Vielleicht sollten wir das öfters tun: Den alltäglichen Trott zu durchbrechen und uns gegenseitig zu ermutigen, mal was anderes zu machen!
- Mal wieder nah-sehen statt fern-sehen: einem geliebten Menschen in die Augen sehen.
- Mal wieder sammeln statt zerstreuen: die Schöpfung begreifen, gute Bücher lesen, inne
  zu halten, Herz und Seele sprechen zu lassen.
- Mal wieder auftauchen statt untergehen: In der Gemeinde mitzumachen und mit anderen
  Gottesdienst zu feiern.
- Mal wieder Sinnlichkeit statt Sachlichkeit: mit allen fünf Sinnen das Leben wahrnehmen,
  die bunte Vielfalt sehen, die leisen Töne wieder hören,
  die Schönheit riechen und die Zartheit betasten.
- Mal wieder Lust statt Frust: Die Freude am Alltag, an der Arbeit, die Freude an den kleinen
  Dingen finden, die Freude der Andern entdecken.
- Mal wieder Loblieder statt Klagelieder singen:
  das ewige Bejammern aufgeben und für das Ewige loben und danken.
Loblieder - statt Klagelieder!
Grad so, wie der Beter des 98. Psalms uns auffordert: „Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!“
Vorsicht: Es ist nicht von einem modernen Lied, sondern von einem neuen Lied die Rede!
Wir sollen anstelle des alten Liedes in neues Lied entgegen setzen!

Ist es doch immer dasselbe alte Lied, das vielfältig Tag um Tag an unsere Ohren dringt und geradezu verlockt, einzustimmen und mitzubrummen. Es ist immer dasselbe Lied von allerlei Wehwehchen, Unzufriedenheit und Missmut, Empörung und Weltuntergangsstimmung. Es ist seit Jahrhunderten immer das alte Lied der Menschheit vom Schaffen und Raffen, Jagen und Klagen, Höhnen und Stöhnen. Ein Lied, das geschrieben ist auf den Notenlinien des Erfolgszwanges und Vergleichens, der Gewinnsucht und der Bitterkeit. Alles erklingt im Takt des alten Trotts, mit dem Grundton des Murrens und voller Disharmonie.

Doch gerade darin sollen wir nicht einstimmen, sondern ein neues Lied singen, - weil Gott Wunder tut. Durch Jesus hat dieses neue Lied das Kreuz zum Vorzeichen und damit einen ganz besonderen Klang bekommen.
Gerade mit Jesu Erlösungstat hängt ja eines der schönsten Wunder zusammen: Wenn nämlich ein Herz neu wird, weil ein Mensch Buße tut, die Sehnsucht hat einen neuen Weg einzuschlagen und Jesus als seinen Herrn annimmt. Dann besteht nicht nur Grund zur Freude im Himmel, sondern auch zu einem Lob- und Jubellied auf Erden.

In wunderbarer Weise reißt Gott Mauern ein und sprengt fesselnde Bande. Sein Wort zersprengt alle Akkorde des alten Liedes. Wie heißt es doch gleich in einem Gesangbuchlied:
- „Jesus ist kommen, nun springen die Bande, Stricke des Todes, die reißen entzwei.“
- „Jesus ist kommen, der starke Erlöser, bricht dem gewappneten Starken ins Haus,
    sprenget des Feindes befestigte Schlösser, führt die Gefangenen siegend heraus.“

O ja - Gott vermag zu öffnen, was verschlossen ist! Er öffnet Türen; vermag aber genauso auch falsche Wege zu verschließen. Gott greift durch einschneidende Wunder ebenso ein
wie durch so viele kleine Schritte Führungen, Fügungen und Bewahrungen.
All die vielen kleinen Antworten und die großen Taten Gottes in Vergangenheit und Gegenwart
geben Anlass genug, nicht mit den anderen ins gleiche Horn zu stoßen und Trübsal zu blasen!
Sondern ein neues Lied anzustimmen, einen Wohlklang zu verbreiten
    und Gott zu bitten, dass er uns dabei hilft.
                                Amen!