Predigt an Himmelfahrt - 21. Mai 2020

Predigt  an Himmelfahrt                                                            Schorndorf, 21. Mai 2020
Johannes 17,20-26                                                                   Pfr. Thomas Fuchsloch


Gnade sei mit uns - und Friede,
von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus,
der da ist und der da war und der da kommen wird. Amen!

Der Tagesspruch zum Himmelfahrtstag steht im Johannesevangelium, 12,32    
    „Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde,
     so will ich alle zu mir ziehen.“

Der Predigttext für Christi Himmelfahrt steht im Johannes-Evangelium, Kap. 17:
        Jesus Christus spricht:
20    Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die,
        die durch ihr Wort an mich glauben werden,
21    damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir,
        so sollen auch sie in uns sein,
        damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.
22    Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben,
        die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie wir eins sind,
23    ich in ihnen und du in mir,
        damit sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne,
        dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst.
24    Vater, ich will,  
        dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast,
        damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast;
        denn du hast mich geliebt, ehe der Grund der Welt gelegt war.
25    Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht;
        ich aber kenne dich, und diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast.
26    Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun,
        damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.
                                          Worte des lebendigen Gottes - Amen.

Liebe Gemeinde,   
wieviel Abenteurer und Wanderlustige haben wohl heut morgen nach oben geschaut?
- Die Freunde der Natur wissen: Der Blick zum Himmel entscheidet, ob man es wagen kann.
- Cabrio-Fahrer wissen es zu genießen: Für sie ist der Himmel zum Greifen nah.
- Gourmets schwärmen von einem himmlischen Essen.
- Werbeprospekte locken mit Preisen, die der Himmel schickt.
- Und Freizeitparks garantieren ein himmlischen Vergnügen.
Der Himmel ist hoch aktuell. Wahrscheinlich war er noch nie so nah wie heute - und letztlich doch so weit weg!
Wie viele reden vom Himmel und tun sich schwer, wenn es darum geht, die Himmelfahrt sich vorzustellen?! Wie verlegen sind wir, wenn wir Kinder erklären wollen, wie Jesus in den Himmel aufgefahren ist?

Zuweilen fällt es den Kindern noch leichter, das zu fassen, was uns aus der Fassung bringt;
was wir so schwer begreifen. Für die Schwester meines Patenkindes war es einfach klar:
Bei schönem Wetter nimmt Gott seinen Liegestuhl, spannt den Sonnenschirm auf und macht es sich auf einer Wolke bequem. Ein anderes Mal beantwortete der kleine Sohn eines Arztes
die Frage „wo Gott wohne“: Das ist ganz einfach, meinte er: „Wohnen tut Gott im Himmel und seine Praxis hat er in der Kirche!“

Oh, wenn's doch so einfach wäre. Aber - man will es sich's ja auch nicht zu leicht machen.
Es ist schon eigenartig: Vielleicht hat man noch nie zuvor so viel, so locker, so leichtfertig über den Himmel geredet und zugleich war er wohl auch noch nie so weit weg! Vielleicht hat man auch noch nie so viel vom Vatertag geredet und zugleich ist der Vater im Himmel, zu dem Jesus aufgefahren ist, auch noch nie zuvor so weit weg gewesen?
Und wenn wir dann noch den Missionsbefehl einbeziehen, den Jesus vor seiner Himmelfahrt seinen Jüngern gegeben hat, dann kann ich nur schmerzlich feststellen:
- Es gab wohl kaum eine Zeit, in der das missionarische Engagement so umfassend,
  so offen waren.
- Es gab wohl auch noch nie so vielfältige Zielgruppen, unter denen missionarische
  und diakonische  Organisationen gearbeitet haben.
- Es gab wohl auch noch nie so zahlreiche Methoden und Technik womit man
  die Mitmenschen anzusprechen versucht: Rhetorische Künste, Pantomime, Theater,
  Tanz und Artistik.
Es ist ein enormes Engagement unter großem Aufwand an Zeit, Kraft und Geld. Der Einsatz und Aufwand ist gewaltig und dennoch ist die missionarische Kraft merkwürdig gering. Es sind nicht die rauhen Massen, die für Christus begeistert sind, - die unbedingt in einer christlichen Gemeinde leben wollen, - die einfach neu anfangen wollen. Festivals locken mehr als Kirchen-tage; Fußballspiele ziehen mehr als Gemeindetage. Straßenfeste reizen mehr als unsere Gottesdienste. Wohlgemerkt: Nichts gegen Festivals, nichts gegen Fußballspiele und Straßen-feste. Sie können sehr interessant, sehr schön sein; ich kann mich sogar richtig daran erfreuen. Allerdings frage ich mich: Warum führt das christliche Miteinander daneben so ein Schattendasein? Weshalb ist es so trügerisch, heute noch vom „Christlichen Abendlande “ zu reden?
Ich denke, es ließen sich die unterschiedlichsten Gründe finden. In unserem Predigtabschnitt nennt Jesus eine ganz zentrale Ursache: Er macht deutlich, dass die größte missionarische Kraft der Gemeinde nicht in der Vielzahl ihrer Aktionen, sondern in ihrer Einheit begründet ist.
Dabei geht es nicht um Vereinheitlichung, nicht um Eins-Macherei, um kein Schablonen- Denken, sondern um eine Einheit, wie sie zwischen Jesus und seinem Vater besteht.
Dies einzigartige Vater-Sohn-Verhältnis ist Maßstab, ist Vorbild, für die Einheit der Glaubenden. Dafür betet Jesus. Er bittet um eine solche Einheit! Jesus gibt den Jüngern nicht den Befehl, diese Einheit selbst herzustellen, etwa durch eine einheitliche Gesinnung. Jesus gibt keine Lebensordnung. Er befiehlt kein zwanghaftes Zusammenhalten. Er fordert keine Übereinstimmung der Gemüter. Jesus gibt keinen Auftrag, durch Verhandlungen, Absprachen, Konferenzen oder einheitliche Organisationen diese Einheit selbst zu schaffen Statt sie zu verordnen, betet Jesus für eine Einheit! Damit macht er deutlich, dass diese Einheit von Menschen weder gemacht, noch beschlossen, oder organisiert werden kann. Man kann nur um sie bitten - und überall dort, wo sie entsteht, ist sie ein Geschenk.

Was aber bedeutet das in der praktischen Umsetzung?  Nun- wenn zwei zerstritten sind, beginnt die Einheit damit, dass jeder sein Verhältnis mit Gott in Ordnung bringt. Vor dem 
    Thron Gottes, wo jeder auf Gnade angewiesen ist, stehen sie auf einer Stufe; da treffen sie
beide zusammen, da werden sie eins. Es führt kein Weg in die Einheit ohne den Umweg über Gott. Das heißt im Klartext: Genau so viel Gemeinschaft, wie die Christen mit dem Vater und seinem Sohn haben, so viel Einheit haben sie auch untereinander.

Es ist schon bezeichnend, dass Jesus in seinem Gebet nicht für unser Glück, unser Wohl oder unseren Frieden bittet. Sondern für unsere Gemeinschaft mit ihm und seinem Vater betet. Es geht darum, um es in der Gleichnissprache Jesu auszudrücken, dass jeder zu einer Rebe am Weinstock wird. Bei aller Verschiedenheit, verbindet uns dann, dass wir von ihm, wie von einem Weinstock getragen und versorgt werden. Reben sind nur darin Reben, dass sie gemeinsam aus dem Weinstock wachsen. Und Christen werden nur zu Christen, indem sie sich in diese Vater-Sohn, diese Vater-Kind Beziehung hineinnehmen lassen.
Oder in einem anderen Bild ausgedrückt: Dieses „Christus in uns - und wir in Christus!“ - könnte man mit einem Eisen vergleichen, das im heißen Feuer geschmolzen wird. Es wird glühend rot, und lässt sich unter dieser Hitze formen. Dann ist das Eisen im Feuer - aber auch umgekehrt: das Feuer im Eisen!
Oder in der Kategorie der Liebe ausgedrückt: Wenn ich die Liebe Jesu annehme, dann ist sie auch in mir. Wenn ich sie nicht annehme, ist sie nicht in mir! Wenn nun jemand fragt: Was heißt das, die Liebe Jesu annehmen? Dann kann ich sagen:  Die Liebe Jesu hatte ihren sichtbaren Höhepunkt auf Golgatha, als Jesus um meiner Versöhnung willen für mich starb.
Ohne diese intensive Beziehung kann ich kein Christ sein; können wir keine Gemeinschaft von Christen, keine Einheit sein. Es hängt alles an dieser Gottesbeziehung.
Diese Gottesbeziehung können wir nicht machen, wohl aber darum bitten. Und wenn wir miteinander darum bitten, werden wir zu einer Einheit. Vielleicht sogar zu einer missiona-rischen Einheit, sprich: zu einer einladenden Gemeinschaft. Grad so, wie in jenem anschau-lichen Vergleich eines Rabbis, in dem es darum geht, den Unterschied von Himmel und Hölle zu erklären:
Da stand zunächst in der Mitte eines Raumes ein Topf mit köstlichem Essen stand. Rundum saßen Leute mit langen Löffeln und schöpften alle aus dem Topf. Dennoch waren alle blass, mager und elend. Denn die Stiele ihrer Löffel waren viel zu lang, so dass sie das herrliche Essen nicht in den Mund bringen konnten.
In einem anderen Raum stand ebenso ein Topf in der Mitte. Auch diese Leute saßen ringsum und hatten ebenso lange Löffel. Doch sie waren gut genährt, gesund und glücklich. Sie ver-suchten nicht, sich selbst zu füttern, sondern gebrauchten die langen Löffel, um sich gegen-seitig zu essen zu geben.
Es mag wohl eindeutig sein, was daran als höllisch und was als himmlisch erscheint. Mir ist aber noch viel wichtiger, darauf zu achten, wie eine echte christliche Gemeinschaft schlicht einladend wirken kann. Da muss keiner gelockt, angestoßen oder gar gezwungen werden.Jesus zwingt keinen Menschen zur Gemeinschaft mit ihm!  Dennoch sagt Er in unserem Predigttext ganz klar, was Er will: „Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir  gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast!“

Weil Jesus bei aller klaren Willensäußerung dennoch keinen zwingen will, darum betet, darum bittet er: „Damit sie alle eins seien; wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube ...!

Liebe Gemeinde,
wie gehen wir damit um und wie gehen wir mit Himmelfahrt um? Es ist eine Situation der Distanz und Hilflosigkeit - wie im bildlichen Vergleich des Rabbis mit den langen Löffeln:
Viele reden vom Himmel - und wissen nichts damit anzufangen;
viele reden vom Himmel - und wissen nicht, was sie tun;
viele reden vom Vatertag - und kennen ihren himmlischen Vater doch nicht.
Wie gehen wir mit Himmelfahrt um? Jesus ist damals in den Himmel gefahren, weil er mit seinem Vater einig war. Und Er wird wiederkommen, weil er auch mit uns in Ewigkeit eins sein will. Dazu zwingen tut er niemand. Ob wir wohl mit ihm so eins sind, dass dieses Miteinander
auf andere einladend wirkt?
Machen können wir es nicht - aber darum bitten!     Amen!